Erinnerungen an Ernst Krenek

Jubiläum

Ein Beitrag von em. Univ.-Prof. Ernst Kovacic

Meine Erinnerungen an Ernst Krenek hängen vor allem mit Begegnungen bei und nach Konzerten zusammen, mit einigen Treffen im privaten Kreis, z.B. bei den Haselböcks oder auch in Mödling.
Kreneks guter, trockener Humor, mit einem leichten Hang zu Ironie und Sarkasmus ist mir besonders lebhaft im Gedächtnis geblieben, und seine genießerische Art Wein zu trinken.
Auch seine zwischendurch immer wieder in Statements über zeitgenössische Komponisten aufblitzende umfassende Kenntnis der Musikentwicklung beeindruckte mich.
Ich erlebte ihn insgesamt als sehr sensiblen, vor allem zuhörenden Menschen. Wenn er aber, selten genug, das Wort ergriff, faszinierten mich seine geistreichen gedanklichen Querverbindungen zwischen künstlerischen, politischen, sozialen oder medialen Bereichen, die er kurz und klar, gleichsam spielerisch, herzustellen wusste. Ein weiter, offener Geist!

Als Orgelstudent hatte ich schon früh seine Orgelsonate op.92/1 gespielt. Später als Geiger lernte ich zunächst die 2. Sonate für Solovioline op.115, die mich ähnlich wie die Orgelsonate, durch ihre klare Form, sachliche Sparsamkeit und rhetorische Kraft faszinierte. Nach einer Aufführung dieses Stücks habe ich Ernst Krenek auch zum ersten Mal getroffen. Das muss, wie sein datiertes Autogramm in meinen Noten zeigt, 1972 gewesen sein. Seine damalige Bemerkung - „Gut haben Sie deklamiert!“ - war für mein Verständnis von Kreneks Musik sehr prägend: Klang und Sprache sind bei ihm aufs engste verbunden.

Bei dieser Gelegenheit wies er mich auf seine 1. Soloviolinsonate aus 1925 hin, die ich noch nicht kannte, er legte sie mir sehr ans Herz. Dieses halbstündige Werk sprang mich mit praller Üppigkeit, Urgewalt und dichtester Komplexität an. Ich war verblüfft, gleichzeitig aber durch seine immensen technischen Schwierigkeiten entmutigt. Es bedurfte mehrmaligen Drängens Ernst Kreneks bei weiteren Treffen bis ich daran zu arbeiten begann und die Sonate schließlich beim Carinthischen Sommer in Ossiach in Kreneks Anwesenheit das erste Mal spielte. Nachher, beim Zusammensitzen im Stiftshotel, fragte ich ihn, warum er in einer gewissen Passage dieses Stücks keine Taktstriche gesetzt hätte. Er darauf, mit entwaffnender Liebenswürdigkeit: „Fragen' S mich nicht, ich habe keine Ahnung, was ich mir damals dabei gedacht habe; das ist so lange her!“
Ich glaube, an diesem Abend habe ich Ernst Krenek das letzte Mal gesehen.

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