Aus Lothar Knessls Führer durch Ernst Kreneks Bühnenwerke

The Dissembler

Monolog für Bariton und Kammerorchester, op. 229 (1978)

Text
Ernst Krenek (englisch, deutsch, mit Zitaten aus anderen Sprachen)


Verlag / Rechte
Bärenreiter
LM BA 6759


Dauer
20 Minuten


Uraufführung
Englische Version:
11. Oktober 1979
Chamber Music Society, Baltimore, Maryland (USA)
D John Stephens

Deutsche Version:
28. September 1980 30. Berliner Festwochen
D Lothar Zagrosek


Aufführungen
Musikprotokoll Graz (1980), Konzerthaus Wien (1990), Philharmonie Breslau (2011)


Aufzeichnungen
2012, Toccata Classics 0125: Ernst Krenek, Music for Chamber Orchestra; D Ernst Kovacic, Leopoldinum Orchester Wroclaw, Matthias Hausmann – Bar.
1996, AmCam Recordings ACR 10309: The 20th Century: Music of our time; D John Stephens, The American Camerata, Michael Ingham – Bar.


Besetzung
1.1.1.1 – 1.1.1.0 – 4 Perc – Hf, Cel, Pft – Str


Themenkreise
Bewusstseinsspaltung / Wahrheitssuche


Entstehung
Die American Camerata for New Music beauftragte  Krenek mit einem Werk für Kammerorchester. Er kombinierte den Auftrag mit einem versprochenen Werk für den befreundeten Sänger Michael Ingham.Neben seinem eigenen Text zitierte er aus Goethes Faust II, Euripides‘ Hekuba und einigen biblischen Texten und bezieht sich auf Italo Calvinos Erzählung Il castello del destini über ein Tarotspiel. Hinter den vielen Schichten und Masken ist das Werk stark autobiographisch.


Inhalt
Der Titel des original englischen Textes „The Dissembler“ scheint der Aura des jiddischen Wortes „Versteller“ (für Schauspieler) am nächsten zu kommen. Der „Akteur“ sucht nach Wahrheit durch Verstellung. Er personifiziert einen Mann der exakten Wissenschaft, einen Richter, ergibt sich dem Okkultismus des Tarot, gibt vor, sich selbst zu spielen, und erklärt schließlich, dass alles nur Verstellung ist. (E. Krenek im Programmheft des Musikprotokoll Graz, 1980)


Musik
The Dissembler arbeitet mit zahlreichen Möglichkeiten der Materialorganisation, zitathaften Anklängen und einem improvisatorisch wirkenden Nebeneinanderstellen kleinster Motivpartikel, deren Zusammenhang sich nur ex negativo, in einer Technik unablässigen Fragmentierens, begründet.
(Matthias Schmidt, Im Gefälle der Zeit)

Die Musik ist dem Text untergeordnet, der Vokalpart ist der gesprochenen Sprache näher als dem Gesang. Die Instrumente unterstreichen und interpunktieren den Text und stellen eine Art sardonischen Kommentar bei.
(John L. Stewart, Ernst Krenek – Eine kritische Biographie)

 


Im Spiegel der Presse

Zur Uraufführung der deutschen Fassung in Berlin:
Der Tagesspiegel Berlin
30. 9.1980, Sybill Mahlke
Es sind Reflexionen über die Wesenswahrheit der Kunst – ein insofern bewegendes und essentielles Alterswerk von Ernst Krenek. … Die ausgesparte, immer wieder eruptiv auffahrende Partitur, ihre Signal-Charaktere suggerieren Gaukler-Atmosphäre, aber auch Akkorde des Nachdenkens, das innige Violinsolo („What is true?“), Illustration finden Raum.

Frankfurter Allgemeine Zeitung
24.10.1980,  Hans Heinz Stuckenschmidt
Das Werk wird von einer inspirierten Musik getragen, deren Mittel überwiegend die Singstimme ist. Stellen wie die zerstreuten Klangwechsel zum einleitenden Kommentar „Ich bin ein Versteller“, die Glissandi beim Sondieren von Zeit und Raum, die Melodien bei Lynkeus des Türmers „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“ oder das gewaltige Fortissimo des „Nemo est qui semper vivat“ sind so erfüllt von musikalischer Vision wie viele der besten Werke Kreneks.

 

 

Weiterführende Literatur

Matthias Schmidt, Ernst Krenek – Zeitgenosse des 20. Jahrhunderts, Stadt- und Landesbibliothek Wien 2000, S. 134-141 (Libretto)

Matthias Schmidt, Im Gefälle der Zeit – Ernst Kreneks Werke für Sologesang, Bärenreiter, Kassel 1998

Michael Ingham, A meditation on Krenek’s The dissembler, in: Newsletter of the Ernst Krenek Archive, Vol. 3/No. 1 Fall 1992, S. 1-8

John L. Stewart, Ernst Krenek. Eine kritische Biographie, Verlag Hans Schneider, Tutzing, 1990,  S. 430ff

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