Zwischen Avantgarde und Tradition. Ernst Kreneks neoklassizistische Werke

Ernst-Krenek-Studien Band 6
Philipp Weber

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit Ernst Kreneks kompositorischer Auseinandersetzung mit dem Neoklassizismus mit dem Ziel, diese in allen unterschiedlichen Schattierungen und Ausprägungen von ihrem Ursprung bis zu ihrem Abklingen zu verstehen.
Im dreiteiligen Eröffnungskapitel werden neben den verschiedenen Bedeutungsebenen des Neoklassizismusbegriffs und den Schwierigkeiten seiner exakten Definition die Entstehungsgeschichte der Bewegung in Frankreich und Deutschland mit ihren unterschiedlichen Strömungen und Vertretern behandelt. Ergänzend dazu wird die kompositionstechnische Dimension des Neoklassizismus betrachtet und eine Auswahl typischer neoklassizistische Merkmale formuliert.


Im analytischen Hauptteil der Arbeit wird Kreneks Auseinandersetzung mit dem Neoklassizismus in drei Phasen differenziert, die den verschiedenen Lebensorten des Komponisten (Berlin 1920–1923, Schweiz 1924–1925 und Kassel 1925–1927) entsprechen, wohl wissend, dass Krenek während dieser Zeiträume keineswegs ausschließlich neoklassizistisch komponierte.


Jeder Teil beginnt mit einer Betrachtung der (neoklassizistischen) Einflüsse des künstlerischen Umfeldes, die anhand von Kreneks Schriften und Briefen belegt werden. Darauf folgen detaillierte Analysen einschlägiger Kompositionen, deren Ergebnisse jeweils in einem abschließenden Resümee zusammengefasst werden. Es werden Vergleiche zwischen den Werken der drei Zeiträume gezogen und die verschiedenen Charakteristika ihrer neoklassizistischen Tendenzen herausgearbeitet sowie Kreneks Beweggründe für den jeweils eingeschlagenen künstlerischen Weg diskutiert. Dabei werden Kreneks antiromantische Bestrebungen, die Verwendung barocker Satztechniken in linear-atonalen Kompositionen der Berliner Zeit als seine neoklassizistische Anfänge beschrieben und im Zusammenhang der Einflüsse durch Ferruccio Busoni, Eduard Erdmann, Artur Schnabel und den Theorien von Ernst Kurth gedeutet. Als neoklassizistische Hochphase wird der Beginn der von Strawinsky beeinflussten Schweizer Zeit angesehen, während die Kasseler Zeit bereits als Übergang zu Kreneks neoromantischer Kompositionsphase begriffen wird, in der gelegentlich auftretende vorromantische Elemente nicht mehr wie zuvor in antiromantischer Absicht in eine moderne Klangsprache integriert, sondern weitgehend ungetrübt und im Wechsel mit anderen Idiomen (unter anderem aus dem »Jazz«) präsentiert werden.

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